Fenster auf, Debatte rein
Dafür stehe ich: Angstfreie, ehrliche Debatten als Lebenselixier unserer Demokratie.
Die Landtagswahlen im Osten beschäftigen uns auch im tiefen Westen. Und was als Reaktion auf Thüringen und Sachsen gemeint war, haben wir auch in Dormagen, Grevenbroich, Neuss und Rommerskirchen wahrgenommen:
„Wir müssen unsere Politik besser erklären“. So hieß es dieser Tage häufig aus den Reihen der Ampelkoalition. Aus dem Publikum provoziert das die Frage: Woher wisst ihr, was ich verstanden oder nicht verstanden habe? Wir verstehen Euch schon sehr gut!
Wie das Vertrauen verloren gegangen ist
Angesichts von genau null Prozent Zustimmung für die Ampelkoalition (in Zahlen: 0) liegt vielmehr der Verdacht nahe, dass es nicht nur auf die Erklärung ankommt. Sondern dass das Vertrauen in die Inhalte der Politik verloren gegangen ist. Und mehr noch: das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit einer demokratischen Politik überhaupt. Letzteres hat nicht ausschließlich etwas mit der gegenwärtigen bundespolitischen Koalition zu tun, so viel ist klar.
Wenn sichtbare Fehlentwicklungen seit Jahren, teils Jahrzehnten, nicht korrigiert werden, entsteht auch bei mir der Verdacht, dass sie von der Politik letztlich gar toleriert werden. In diese Kategorie fallen etwa die ungelösten Fragen der irregulären Migration, die bürokratische Fesselung von Bürgern, Beschäftigten und Betrieben und die sich in der Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik spiegelnde Unterwanderung des Leistungsprinzips. Zu all dem bald mehr auf diesem Blog.
Wenn gleichzeitig dringend notwendige Weichenstellungen für die Zukunft verschleppt werden, wird die Beantwortung der politischen Kernfrage immer schwerer: Wie stellen wir uns unsere Zukunft vor? Das betrifft zum Beispiel die Fragen der Tragfähigkeit unserer Sozialversicherungen, einer modernen Infrastruktur in den Bereichen Verkehr, Digitales und Energie und eines effektiven und kosteneffizienten Klimaschutzes. Auch hierzu demnächst mehr an gleicher Stelle.
Doch dieses „müssen besser erklären“ lässt noch tiefer blicken. Ihm liegt eine aus demokratischer Sicht bedenkliche Entwicklung zugrunde: Eine Entkopplung zwischen der eigentlichen Politik und dem Sprechen über Politik. Wir alle kennen die Erfahrung, wenn wir den öffentlichen Diskurs über ein Thema beobachten, in dem wir uns besonders gut auskennen. Da fällt uns auf: der politische Diskurs und die entsprechende Fachexpertise dazu liegen (zu) häufig (zu) weit auseinander. Daraus folgt ein Auftrag für alle Demokraten.
Umso weniger braucht sich der Bundeskanzler in einer unwürdigen Medienschelte zu ergehen. Wer das – richtige – Narrativ einer „Zeitenwende“ prägt, sie aber politisch nicht in die Tat umsetzt, sollte vor allem vor der eigenen Haustür kehren.
Debatten verantwortungsvoll führen
Ein Gegenstück zu „müssen besser erklären“ gibt es auch. Es lautet meist in etwa: „Man wird ja wohl noch sagen dürfen.“ Meine Antwort darauf lautet: ja, absolut! Sagen und schreiben darf man alles, und mehr denn je. Nie zuvor gab es so viele Kanäle, um öffentlich zu kommunizieren (u.a. über ebendiesen Blog).
Doch entbindet das weder von der Verantwortung, das eigene Wort vorher so weit wie möglich einem gedanklichen Test (inkl. Check der Tatsachengrundlage) zu durchziehen. Noch viel weniger aber entbindet das „sagen dürfen“ von der Verpflichtung zur Toleranz einer anderslautenden Reaktion. Wer Meinungen verbietet oder wer den Widerspruch nicht erträgt, möchte in Wahrheit gar nicht wirklich dieses demokratische „Denken ohne Geländer“ praktizieren. Eine solche Verantwortung einzufordern ist legitim, Staatsbürgerinnen und Staatsbürger besitzen nicht nur Rechte und Freiheiten.
Ich wende unabhängig von meiner jeweiligen eigenen Meinung in politischen Diskussionen die folgende Regel an: Ich versuche zumindest für eine Sekunde zu unterstellen, der oder die andere könnte Recht haben. Darüber hinaus unterstelle ich jedenfalls, der oder die andere ist fest davon überzeugt, mit der eigenen Auffassung das Wohl unseres Landes im Blick zu haben.
Leicht fällt das nicht immer. Manchmal ist die offene Debatte mit dem Gegenüber schlicht nicht möglich. Auch das gilt es zu akzeptieren. Manchmal wird aus einer Debatte des politischen Inhalts eine Deklaration zur Verpackung: „der oder die ist doch: linksgrünversifft, rechtsextrem etc. pp.“ (Hoffentlich ist es müßig, bei der Gelegenheit zu unterstreichen, wie wenig – d.h. nichts – rechts und rechtsextrem gemein haben.)
Wer Andersdenkende mit einem Label versieht, möchte sich selbst - bewusst oder unbewusst - die Welt leichter machen. Schnell abkanzeln geht einfacher, als bedacht zu antworten. Es ist ein nachvollziehbarer Selbstschutzmechanismus. In Wahrheit wird das demokratische Leben dadurch viel schwieriger. Abgekanzelte neigen in der Reaktion ihrerseits zur Abgrenzung. Warum auch nicht, sie sehen sich bereits in die Ecke gestellt.
In der sprichwörtlichen Ecke findet man schnell andere Abgekanzelte. Die stehen zwar aus jeweils eigenen Gründen dort. Aber die wesensgleiche Erfahrung eint emotional. Infolgedessen werden die Inhalte der anderen Abgekanzelten gleich mit übernommen. Zumal es doch wie beim eigenen inhaltlichen Ausgangspunkt auch bei den anderen mindestens einen wahren Kern geben wird, so die gegenseitige Annahme. So entstehen politische Bewegungen, die sich inhaltlich nicht begreifen lassen.
Von der Frage zur Entscheidung
Jede gute Debatte beginnt mit einer Frage. Die logische erste heißt: Wie ist die Lage? Das entspricht der Kurt-Schumacher‘schen Betrachtung der Wirklichkeit. Die – verkürzte – Antwort lautet gerade – zurückhaltend formuliert – häufig: nicht gut. Besser wird es durch diese notwendige Erkenntnis allein natürlich selten. Und so heißt die logische zweite Frage: Wie machen wir weiter? Dann geht die Debatte natürlich erst richtig los.
Jede gute Debatte endet mit einer politischen Entscheidung. Hängepartien kann sich unser Land weniger denn je leisten. Wir haben in vielen Bereichen schon längst kein Erkenntnisdefizit mehr, häufig auch kein Willensdefizit, wir haben meist ein Um- und Durchsetzungsdefizit. Umso deutlicher müssen künftige politische Entscheidungen ausfallen.
Die Zeit der Formelkompromisse, die in der Sache nichts ändern, ist vorbei. Für den Gesetzgeber muss das viel häufiger heißen, dass er nicht nur gleichwertige Rechtsgüter in die Luft wirft, jeder Einzelfallprüfung ganze Galaxien eröffnet und somit Behörden und vor allem die Bürgerinnen und Bürger dem dauernden Schwebezustand überlässt. Die Folge: Berichtspflichten statt Bewegung, Blockaden statt Baufortschritt, Stillstand statt Schwung, Prozesse statt Progression.
Das muss ein Ende haben. Nicht um irgendwelche Wähler irgendeiner Partei (zurück) zu gewinnen. Sondern weil es das richtige für das Land ist. Sie werden an dieser Stelle merken, der Text verzichtet bislang auf jede Erwähnung der Parteien, deren Namen wahlweise mit A oder B beginnen. So möchte ich es auch weiter halten: Keine kostenlose PR – konzentrieren wir uns stattdessen auf unsere eigenen Überzeugungen und Inhalte.
Wir alle sind gefordert
Und was, wenn das alles nicht klappt? Wenn die ganzen Debatten nichts bringen, die notwendigen Entscheidungen nicht fallen, die Radikalen und Extremen weiteren Zulauf erhalten? “Dann verlasse ich Deutschland”, sagt mancher. Den deutschen Helden von 1989 wäre so etwas nicht über die Lippen gekommen. Wo ist da der Kampfgeist?
Wenn wir die Errungenschaften der Vergangenheit für selbstverständlich halten, vergessen wir, dass die demokratische Zukunft hart erkämpft werden muss. Die Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren kann. Wer die Demokratie für selbstverständlich hält, hat sie nicht verstanden. Wer die Debatte nicht wagt, verspielt die Demokratie.
Vertrauen baut sich erst langsam wieder auf. Die dafür notwendigen Debatten erfordern harte Arbeit: “viel intellektuelle Energie, demokratiepolitische Fantasie und pragmatischen Einsatz”. Aber dieser frische Wind ist nötig, immer wieder aufs Neue! Diese Debatten müssen immer erst parteiintern beginnen: ohne Scheuklappen, ehrlich zu sich selbst und zueinander, zugewandt. Anschließend müssen wir die Debatten in der Breite der Gesellschaft führen. Mit 150 Prozent Einsatz. Gemeinsam in einem Team, das sich gegenseitig ergänzt. Zuhörend und lernend unterwegs im ganzen Wahlkreis. Das muss uns als CDU weiter von anderen Parteien unterscheiden. Wir wollen und müssen immer besser werden, gerade weil wir nicht die letzte Wahrheit kennen.
So verstehe ich die Demokratie. Wir alle sind gefordert, uns einzubringen. Demokratie ist, wenn wir selber machen. Jede und jeder auf ihre oder seine Art. Im politischen Ehrenamt, in Stadträten oder Kreistagen, mit sozialem Engagement. Jeder kann – ja, muss – seinen Teil beitragen. Deswegen mache auch ich mein Angebot.
Carl-Philipp Sassenrath bewirbt sich für die CDU-Bundestagskandidatur im Wahlkreis Neuss, Grevenbroich, Dormagen und Rommerskirchen. Mehr unter cpsassenrath.de.